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Uma Rukat hat im Kannenfeldpark ihre Maturarbeit über das Stadtklima recherchiert und Lukas Schmutz da erzählt, wie sie dabei lernte, ihr Engagement für eine nachhaltige Stadtentwicklung noch besser zu vertreten. (August 2023)

Ansicht

Eine ganz persönliche Vermessung der Stadt


Der Kannenfeldpark. Uma Rukat hat ihn im letzten Sommer so richtig kennengelernt. Als Schülerin, die sie damals noch war und hierher kam für ihre Maturarbeit. Heute nun ist der erste Schulanfangs-Montag, an dem sie eben nicht mehr in die Schule geht. Das sei ihr auf dem Weg hierher durch den Kopf gegangen. «Es ist ein unglaublich befreiender Moment, aber auch komisch: Viele Leute, die ich kenne, gehen noch in die Schule und ich bin auch noch zuhause bei den Eltern, ja komisch, aber befreiend.» Nun ist sie wieder hier, sitzt im Park-Café beim Eingang und zeichnet eine Skizze des Zwischenjahrs, das vor ihr liegt: «Bisschen Arbeiten, Reisen und Verschiedenes ausprobieren, bevor das Studium beginnt.» Französisch und Soziologie solle es wohl sein, ergänzt sie. «Sprachen habe ich einfach gern. Französisch besonders und darum habe ich in der Schule auch Latein als Schwerpunktfach gewählt.» Darum Latein? Wirklich? Rukats Antwort könnte inhaltlich von einem Lehrmeister alter Schule stammen, doch bei ihr klingt sie so entspannt und locker wie die Vorfreude aufs Zwischenjahr: «Als Grundlage, dann versteht man die lateinischen Sprachen wirklich und richtig. Ich habe schon in der Sekundar damit angefangen und fand’s einfach toll.» Im Gymnasium Münsterplatz ging’s dann weiter im Text, im lateinischen und in dem ihrer Sprachliebe bis zur Matura im International Baccalaureate Programm, das die Türen zu internationalen Hochschulen ein Stückchen weiter auftut als die Schweizer Maturität alleine.

Klimabewegt, doch gegen den Trend
Doch vorher war da eben noch die Maturarbeit, die sie in den Kannenfeldpark führte. Und diese sollte weder alt- noch neusprachlich sein. Ganz bewusst nicht, sagt Rukat: «Ich wollte mit der Maturarbeit einen Ausreisser machen. Ich hatte immer auch Spass an den naturwissenschaftlichen Fächern, vor allem Geographie und dann war die Idee, etwas anderes zu machen, auch stark von meinem politischen Interesse geprägt. Speziell das Klima beschäftigt mich halt stark.» Die Hitzesommer. Überhaupt die spürbaren Veränderungen des Klimas bewegten die damalige Schülerin und sie begann nachzudenken über ein Experiment: Wäre es nicht sinnvoll nachzuweisen, dass das Klima in den Pärken der Stadt effektiv besser ist, kühler und leiser, als in der Stadt sonst? Und würde ein solches Experiment funktionieren? Und wie? - Themensuche also für den Ausreisser: War das irgendwie ein Weiterdenken aus Fridays for Future-Demos mit Greta Thunberg als Inspirationsquelle? «Es stimmt, ich bin auch von den Klimastreiks politisiert worden, und Greta Thunberg finde ich super, genial als Symbol für die Jugend,» sagt sie, doch dann kommt, während zwei Joggerinnen sich auf dem Rundweg des Parks nebenan kreuzen, ein Aber: «Ich fand je länger je mehr, dass es vielen bei den Streiks vor allem ums Dabeisein ging. Es ist ein Trend geworden. Man macht an den Demos mit, aber nicht an der Sache. Das wollte ich nicht, ich will mich wirklich einsetzen für meine Generation.» Vorbilder dann eben vielleicht dafür? Sie überlegt drei Sekunden oder so und sagt dann: «Das habe ich wohl von meiner Grossmutter, die hat sich schon früh für die Frauenbewegung engagiert. Sie tat das dann konsequent weiter und ist immer noch aktiv.»

Während Corona den Fridays for Future-Trend ohnehin bremste, schaute sich die damalige Schülerin nach Möglichkeiten um, wo der Einsatz für die eigene Generation konkret möglich wäre. Sie fand den Jungen Rat. Die Kommission des Erziehungsdepartements also, welche die Interessen der Jugend gegenüber der Regierung und der Öffentlichkeit vertritt und vor allem eins tut, wie sie sagt: «Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Sensibilisierung von jungen Leuten für die Politik. Einfach und konkret. So organisiere ich etwa Besuche von Schulklassen in Departementen der Basler Verwaltung.» Sie fand: Das passt. Dann ging es, wie das geht beim Jungen Rat: Der Kontakt entstand über die damalige Präsidentin. Testsitzungen folgten, wenig später wurde der Antrag an das Departement gestellt und angenommen. Dann war sie Junge Rätin und da sieht sie ihre Aufgabe so: «Ich glaube viele Junge haben Interesse an Politik, es fehlt aber an Gelegenheiten, um es zu entwickeln. Wir helfen, es anzustossen.» Lebendig schildert sie, wie inspirierend das war und ist, etwa mit Verantwortlichen in Departementen konkret und direkt zu reden, darüber wie das da läuft und worauf es ankommt an diesen Scharnierstellen der politischen Maschinerie. Ein zweites Beispiel folgt: «Bei Besuchen im Bundeshaus Jugendliche aus der ganzen Schweiz kennenzulernen und auch Politikerinnen und Politiker, und auch mit ihnen diskutieren, das finde ich super und wichtig.»

Experiment mit verschiedenen Dimensionen
Zurück zur Schule, zur Maturabeit, zum Experiment im Park. Sie ist aufgestanden und erklärt: Der Weg vom Eingang hier bis zum Ausgang auf der andern Parkseite an der Flughafenstrasse, ist zum Terrain des Experiments geworden. Ihre Ausrüstung: Ein Strahlenthermometer und eine App auf dem Handy, welche die Lautstärke der Töne und Geräusche im Park aufzeichnet. Eine erste Messung erfolgte beim Eingang, da wo allerlei Statuen und Inschriften daran erinnern, dass das mal ein Friedhof war hier. Messdauer: Ein paar Minuten. Dann sechs Meter weiter. Die zweite Messung. Nochmals sechs Meter, die dritte, und so weiter durch den grössten Basler Stadtpark durch. «Ja, das war anstrengend, denn zu jeder Messung gehörten auch Notizen, um die Ergebnisse einordnen zu können.» Dass etwa bei der Lautstärke ein ausgelassenes Kindergeschrei vom Spielplatz nebenan wohl Teil des Ergebnisses an einem Punkt war, oder das Geläut der Antoniuskirche an einem anderen. Und in Bezug auf die Temperaturmessung war etwa zu registrieren, dass da und dort die Sprinkler der Stadtgärtnerei ihre rhythmisch vorwärts bewegten Wasserfontänen auch in der Nähe der Messzone versprühten. Sie erzählt das beim neuerlich sehr gemächlichen Abschreiten ihrer Route, das natürlich noch immer viel, viel schneller ist als sie damals unterwegs war. Doch auch im Nachvollzug des Experiments mit Rukat in diesem Tempo spitzen sich automatisch die Ohren für alle Tonalitäten des Parks und die gefühlte Wärme legt sich deutlicher als sonst auf der Haut…

Wir sind in der Mitte des Wegs angelangt. Es ist ein Moment grosser Ruhe. So scheint es wenigstens. Da bilanziert Rukat ihre Arbeit: «Das Ergebnis enthält sicher keine völlig überraschende neue Erkenntnisse.» Sie weist erklärend auf die fehlende Breite und Tiefe der Studie hin. Daran ändere auch nichts, dass sie auf analoge Weise auch eine Margarethenpark-Querung unternahm. «Natürlich habe ich irgendwo gehofft, etwas Grossartiges beweisen zu können, doch schlussendlich ist das einfach eine Maturarbeit.» Ihre Messungen zeigten - eben unterhalb eines wissenschaftlichen Levels - dennoch nachvollziehbar, dass es hier, wo wir stehen, leiser und kühler ist, als am Rand des Parks. Sie belegten auch, «dass das Wasser der Sprinkler wirklich kühlt und der Schatten der Bäume auch, je dichter der Bestand, desto mehr.» Das zu den Daten. Doch das eigentliche Learning war, sagt sie, dass sie eine tiefe Erfahrung gemacht habe im Klimathema, das sie umtreibt. Im Geographieunterricht sei viel von Stadt und Klima die Rede gewesen, wie an allerlei Orten und in vielen Zusammenhängen darum gerungen werde, negative Klimaeffekte in Städten zu verbessern. Ein begrüntes Ratshausdach in Chicago mit Solarpanels etwa sei extrem inspirierend gewesen. Doch hier habe das ein ganz anderes Level erreicht: «Nun habe ich mir an einem konkreten Beispiel Wissen erarbeitet, was Grün und Stadt an dem Ort bedeutet, wo ich lebe. Und diese Erfahrung beschränkt sich ja nicht auf die Messdaten, sondern ich habe zum Beispiel auch Vergleichsprojekte gesucht und in Warschau auch eines gefunden. Und so habe ich ganz viele Aspekte kennengelernt, die in diesen Fragen wichtig sind.»

Ernst genommen werden
Auf der zweiten Hälfte des Wegs zur anderen Parkseite führt sie das aus und erzählt, wie sie etwa versuchte, ihre Parkbeobachtungen in den sozialen Kontext der Stadt einzuordnen. «Wie unterscheiden sich die Einkommensverhältnisse der Menschen, die im Umkreis von Parks leben, von jenen, die weiter von ihnen entfernt sind?» habe sie sich gefragt, und in ihrer Arbeit habe sie dann die Ansätze erläutert, die sie sinnvoll fand, um diese Dimension in ihrer Annäherung an die städtischen Klimafragen mitzudenken. «Ich habe mir vielleicht zu viel vorgenommen bei der Arbeit», sagt sie, «aber ich bin jetzt ganz anders vorbereitet auf politische Diskussionen über das Klima. Ich habe nun das Wissen, um besser argumentieren zu können. Ich habe das Vokabular gelernt. Das bringt sehr viel, wenn man mit Fachbegriffen kommen kann oder spezifische Beispiele kennt.» Das sei sachlich wichtig, sagt sie, macht dann eine kurze Pause, weil das Geläut der Antoniuskirche wieder mal so kräftig in den Park hinein dingt und dongt, dass sehr gut vorstellbar wird, wie die Dezibelkurve auf ihrer App in solchen Momenten ausgeschlagen hat. Als wieder Ruhe ist, erklärt sie, dass dieses Fach- und Sachwissen auch auf dem Hintergrund einer Erfahrung wichtig sei, die ihre Generation nicht nur dann und wann mache, sondern oft: «Wenn man als Jugendliche ein Anliegen ausspricht oder einen Wunsch äussert, wird man regelmässig behandelt, so im Sinn von, die arbeiten ja noch nicht, und wissen nicht, wovon sie reden, die kennen die Konsequenzen nicht, die etwas hat. Und dann wird man so halbherzig auf die Seite geschoben…» Diese herablassende Haltung sei auch in der medialen Berichterstattung über Jugend und Klimajugend verbreitet. «Da kann man nicht viel dagegen machen. Doch wenn mir das persönlich passiert, dann, ja, dann spreche ich es an…» sagt sie in der ruhigen Unaufgeregtheit, die ihr Erzählen prägt und trägt. Auch hier Ernst genommen werden ist also ein treibendes Anliegen des heutigen Engagements für ihre Generation. Und was wird da draus, wie stellt sie sich ihr politisches Engagement in Zukunft vor? «Ich bin immer wieder hin und her gerissen. Ich gehöre auch zu keiner Partei oder so. Das ist für mich die Hürde. Da muss man immer einen Kompromiss machen, weil man nicht mit allem einverstanden ist. Das ist die Hürde, die mich derzeit noch zurückhält.» Noch. Doch vertiefen wolle sie auch die Beschäftigung damit...

Neue Blicke auf die eigene Stadt
Parallel zur Maturarbeit und seither sei ihre Beobachtung der eigenen städtischen Umgebung noch intensiver geworden. Unterstützt auch davon, dass der Junge Rat die Aufgabe angenommen hat, die junge Generation bei den ‹Basler Dialogtagen 2023› zu vertreten. Allerlei Vorbereitungsanlässe fanden statt, die sie inspirierend fand. Auf dem Weg zurück zu den Statuen am Eingang des Kannenfeldparks lässt Rukat von da einige Schlaglichter aus ihrer vertieften Stadtbeobachtung aufblitzen: «Mir ist viel bewusster geworden, wie eng der Raum der Stadt ist und wie stark die Entwicklung in die Höhe geht.» Dann etwas zu den Plätzen der Stadt. Wie schön und gross sie eigentlich seien. «Doch Marktplatz, Barfüsserplatz, Claraplatz quasi ohne Bäume und Grün. Das ist doch mehr als schade.» Sie kenne die offiziellen Begründungen, doch das verändere den Eindruck nicht. Und à propos Baumbestand: Wenn sie durch die Freie Strasse gehe, die «ja jetzt total neu gestaltet wird, und dann steht da ein einziges dünnes Bäumlein drin», da könne sie innerlich nur den Kopf schütteln, wenn sie da durchgehe... - Dann ein Blick ins Gundeli, wo sie aufgewachsen ist und lebt. Da habe sich in wenigen Jahren eine Veränderung abgespielt, die ihr wirklich ins Auge falle. «Das Gundeldinger-Quartier ist stark gentrifiziert worden, also es ist sehr herausgeputzt worden», erklärt sie und dann, wie diese Beobachtung bei ihr heranreifte. Sie wohnt da, kennt jede Ecke, und zuhause, wo viel über alles geredet werde, war und ist es auch ein Thema, wie es da aussehe. Der Vater sei Architekt. Und als dann im Geographieunterricht irgendwann der Begriff Gentrifizierung aufgetaucht und behandelt worden sei, «habe ich angefangen darauf zu achten, was das Wort in meiner Wirklichkeit bedeutet.» Am Tellplatz zum Beispiel. Da sei die Umgebung besonders deutlich verändert und herausgeputzt worden. «Das ist ja schön und - an sich - eine positive Veränderung. Aber dann ist es halt auch schade, weil man weiss, dass die Preise steigen und Menschen deshalb wegziehen müssen.» Derartige Prozesse seien in Basel zwar nicht so krass und schwarzweiss wie in grossen Städten, aber es gebe sie auch hier. Wir sind zurück am Eingang. «Ich finde Stadtentwicklung wahnsinnig interessant», sagt sie unter den Statuen des ehemaligen Friedhofs. Wenig später fährt sie mit ihrem Velo vom Park auf die Burgfelderstrasse hinaus Richtung Stadt, Zwischenjahr und wohl Französischstudium...
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Interview

«Das Wichtigste ist, dass die Jugend ernst genommen wird»


Basel führt Dialogtage über Stadtentwicklung durch: Warum braucht es die?

Ich finde es grossartig für die Jugend. Weil wir auch einbezogen werden. Ich finde es aber auch wichtig, dass alle einbezogen werden, die es betrifft. Aber uns betrifft es am längsten.

Gibt es Programmpunkte, die Sie besonders spannend finden?
Am meisten freue ich mich auf den Wunschstadt-Dialog. Von den Programmpunkten her finde ich das Thema Verdichtung spannend und ganz besonders auch die 15-Minuten-Stadt. Das finde ich ein hervorragendes Konzept für Basel. - Besonders wichtig ist aber auch der ganze dritte Dialogtag über die Klimastadt Basel generell.

Welche Rolle spielen Sie an den Tagen?
Der Junge Rat wurde als Dialogpartner einbezogen. Das machen wir als Podiumsteilnehmende und Zuhörende. Wie genau, das werden wir noch entscheiden, aber wir alle wollen uns aktiv einbringen. Sowohl unsere Wünsche als auch unsere Kritik. 

Wie stellen Sie sich die Dialoge vor oder was muss bei diesen passieren, damit Sie verwertbare Ergebnisse erzielen?
Das wichtigste für uns ist, dass wir als Jugend ernst genommen werden. Und dieser Ernst ist aus meiner Sicht auch die Voraussetzung für ein gutes Ergebnis.

Ist das aus Ihrer Sicht ein Anlass für die Öffentlichkeit?
Es sollte auf jeden Fall öffentlich sein, denn es betrifft uns alle und darum sollen alle eine Chance haben, sich zu beteiligen.

Was erwarten Sie für sich persönlich?
Ich gehe offen und gespannt in die Dialoge hinein. Und ich bin hoffnungsvoll, dass es einen guten Dialog gibt und dass Lösungen gefunden werden, die uns alle betreffen.

Was erwarten Sie von der Verwaltung, was von der
Regierung im Umgang mit den Ergebnissen dieser Dialogtage?

Auch hier ist meine Hoffnung, dass das Resultat ernst
genommen wird. Man kann lange Dialoge führen, wenn die dann nicht ernst
genommen werden, dann bringt es herzlich wenig.

In der Einladung zu den Tagen ist viel von "Baukultur" die Rede. In einem Satz: was heisst das für Sie?
Wenn ich den Begriff richtig verstehe, dann drückt er aus,m welchen Charakter eine Stadt durch ihre Bauten erhalten hat. Es geht also in darum, wie das Gebaute die Menschen beeinflusst.

Ein zweiter Begriff kommt da vor: Die Wunsch-Stadt. Was assoziieren Sie damit?
Meine Wunsch-Stadt ist, eine Stadt Basel zu schaffen, die sich in Zukunft nachhaltig bewährt. Vor allem in Bezug aufs Klima, aber auch sozial soll sie sich bewähren.