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Der Journalist Lukas Schmutz hat im Birsfelder Hafen aufgezeichnet, was der Direktor des S AM (Schweizerisches Architekturmuseum in Basel) städtebaulich besonders wichtig findet. Hier und überhaupt. (Mai 2023)

Ansicht

Lernen vom Bermenweg


Radeln am Rhein. Andreas Ruby mag das. Hier besonders. Von der Birsfelder Schleuse herkommend fahren wir direkt dem Fluss entlang ins Birsfelder Hafenareal hinein. Der Direktor des Schweizerischen Architekturmuseums (S AM) fährt auf dem schmalen Bermenweg zwischen Fluss und Hafengebäude zügig voraus. Er kennt den Weg. „Blind“, flachst er schmunzelnd mit einem Blick zurück. So oft schon war er radelnd hier. Auf der Höhe des Tankschiffs ‚Bohemia‘, dessen Ladung gut hörbar gelöscht wird, hält Ruby an. „Der Lärm gehört zur Kulisse“, sagt er und dann: „Für mich ist dieser Weg, dieser ganze Ort hier ein absolut aussergewöhnliches Beispiel für einen infrastrukturellen Raum, der gleichzeitig als öffentlicher Raum gedacht ist.“ Seit 2016 ist der gebürtige Dresdener als S AM-Chef in der Basler Stadtlandschaft unterwegs. Ein feiner Beobachter von aussen, der Schritt für Schritt zum Basler Architektur-Insider wurde. Und dieser Bermenweg ist für ihn zu einem Herzstück seiner Stadtlandschaft geworden. Sie zeigt besonders deutlich, was er mag und wichtig findet. „Hier ist der Rhein nicht einfach Teil einer Postkartenlandschaft wie in der Altstadt, sondern der Weg macht klar, wie die Stadt funktioniert: Wie wichtig die Industrie für Basels Geschichte ist und welch unglaubliche Bedeutung der Rhein als Transportweg für die ganze Schweiz hat.“ Und pittoresk findet er diesen Ort obendrein. „Besonders faszinierend finde ich, wie unterschiedliche Landschaftscharaktere aufeinandertreffen. Hier der Hafen, dort, jenseits des ruhigen Rheins, die idyllische Naturlandschaft mit Weinhängen und Hornfelsen. Ist doch irre schön.“

Kultur der Kompromisse
Kaffeeduft hängt in der Luft. Ruby zeigt, wo der herkommt, wo in der monumentalen Industriefassade die Rösterei zuhause ist. Und dann, was es architektonisch brauchte, damit dieses besondere Nebeneinander entstehen und der Weg entlang des Hafens begehbar werden und dann bleiben konnte: „Das ist ein ingenieurtechnisches Bravourstück,“ sagt Ruby und weist auf die Rohranlage mit den beiden rechtwinkligen Knicken, die vom Schiff her über die Böschung führt. „Darüber wird die Ladung der Tankschiffe gelöscht, und zwar so, dass das Öl oder das Flüssiggas über zwei Etagen in die Tanks kommt und der Spazierweg untendran trotzdem Spazierweg bleibt.“ Weiter oben, wo die Kiesschiffe landen, sei der potenzielle Konflikt zwischen Entladen und Spazieren umgekehrt aufgelöst worden. „Da wird der Bermenweg zu einer kleinen Überführung über einen Tunnel, durch den der Kies von den Schiffen auf die Förderbänder zu den Silos in Hafen geführt wird.“ Wir fahren hin und auf die Überführung drauf. Von da aus erzählt Ruby, wie das ging, dass der Bermenweg zum Bermenweg werden konnte. Zur Geschichte gehört, dass die Baselbieter Regierung in den 1970er-Jahren sagte, dass ein direkter Zugang zum Rhein auch für die Leute hier in der Birsfelder Umgebung wichtig sei. Wichtig sei weiter, dass der Hafen der Öffentlichkeit gehöre. Das war nämlich die Basis, von der aus eine kräftige Bürgerbewegung ‚Nein‘ sagen konnte, als die Häfen den Weg 2020 schliessen wollten. Und dass das Nein schliesslich erfolgreich war, sei besonders entscheidend gewesen. „Sonst stünden wir jetzt nicht da“, auf dieser Berme - das ist der Fachbegriff für einen waagrechten Absatz in einer Böschung, der dem Weg hier seinen Namen gab - und Ruby ist bei der kurzen Moral einer langen Geschichte angelangt: „Mehrmals und immer wieder neu mussten Kompromisse darüber ausgehandelt werden, was öffentlicher Raum heisst. Darum ist das hier für mich wirklich beispielhaft.“

Eigenverantwortung ist zentral
Und dann noch dies: Die Warntafel am Eingang zum Bermenweg, die wir vorher links liegen liessen, enthält für Ruby eine Botschaft, die weit über die eigentliche Warnung hinausweist. Darum hält er auf dem Rückweg bei ihr an und zieht Äste eines Gebüschs zur Seite, die frech ins Blickfeld der Tafel wuchern, und liest vor: „Benutzung nur auf eigene Gefahr“. Dann schmunzelnd, was auch noch auf der Tafel steht, dass es nämlich entlang des Wegs auch Rettungsringe gebe, für den Fall, dass jemand vom Weg ab komme und im Rhein lande... Ruby lässt die Äste wieder wuchern und begibt sich von da direkt auf das Gelände der politischen Philosophie, auf dem der Weg seiner Ansicht nach gebaut ist. „Das Warnschild verweist auf ein für die Schweiz ganz bezeichnendes Verständnis von Eigenverantwortung. Man traut den Leuten zu, sich in einem solchen Raum angemessen zu verhalten. Ohne Verbote einerseits. Und anderseits zugleich auch ohne Zaun. Das wäre in Deutschland oder Frankreich so nicht denkbar. In den USA schon gar nicht. Eigenverantwortung in diesem Sinn ist für mich ein entscheidender Baustein in der Diskussion über die Stadt und ihren öffentlichen Raum.“
Beispielhaft also, dieser Bermenweg. Doch wofür, wenn wir nun ins Konkrete der aktuellen Stadtentwicklung ausblicken? Ruby ist von Haus aus Kunstgeschichtler und nicht Architekt. Er sagt von sich: „Irgendwann habe ich bemerkt, wie tief Architektur meine Lebensqualität und die Lebensqualität aller beeinflusst.“ Das sei der Anfang eines Wegs gewesen, auf dem er zum „professionellen Amateur“ wurde, wie er sagt, und zum „Übersetzer zwischen den hochspezialisierten Diskursen der Architekten und einer direkt betroffenen Öffentlichkeit.“ Das war er zunächst als Publizist mit eigenem Verlag, dann war und ist er Übersetzer mit seinen Ausstellungen im Museum, die etwa „Dichtelust“, „Swim-City“ oder „Beton“ hiessen. Und das ist er auch jetzt.

Kleiner Stadtraum
Ruby schwingt sich wieder aufs Rad und die Übersetzung der Bermenweg-Erfahrung in Richtung allgemeiner Stadtentwicklung kommt ins Rollen: „Zu den grossen Entwicklungsprojekten der Stadt gehört beispielsweise der Hafen in Kleinhüningen mit dem Hafenbecken 3. Da ist die Erfahrung vom Bermenweg offensichtlich eine gute Orientierung.“ Die Gründe dafür folgen eingebettet zwischen Schleuse und Tennisplätzen nebenan: Das Hafenareal in Kleinhüningen - und übrigens auch das Klybeck-Quartier nebenan - seien für die Geschichte der Stadt noch viel bedeutender als der Birsfelder Hafen. Nämlich: „Fundamental wichtig sind die Areale weil diese Gebiete noch voll zum Stadtkörper gehören und weil sie sich in den nächsten Jahren stark entwickeln werden, und entsprechend auch dafür dass das gewachsene Stadtverständnis lebendig bleibt.“ Auch da gebe es da in analoger Weise wie am Bermenweg nachvollziehbare Zielkonflikte. Zwischen Naturschutz und der Entwicklung der Hafenanlagen etwa. Also müssten auch hier Ausgleiche diverser Art gefunden werden. „Für diese Perspektiven zeigt der Bermenweg nicht nur, wie toll die Koexistenz von Naturraum und Industrie ist, sondern auch, dass es geht, die nötigen Kompromisse zu finden.“ Und weil der Gedanke Ruby so nah beim Herz liegt, nochmals: „Es geht.“

Für Ruby gibt es - selbstverständlich - weitere gute Beispiele für die Bedeutung des öffentlichen Raumes in Basel. Der Weg zurück in die Stadt erlaubt ein paar Blicke darauf en passant. Bei der Schleusen-Brücke: „Eindrücklich, wie nah die Stadt von hier schon ist. Die Enge des Basler Stadtraums ist offensichtlich. Auch seine Kostbarkeit. - In dieser Enge ist der Druck auf die Schaffung und Erhaltung von öffentlichem Raum natürlich noch viel grösser als in einem weitläufigeren Stadtraum.“ Von der Schleuse geht’s nun zum und dann vorbei am Kraftwerk. Hans Hofmann, der Kraftwerk-Architekt, so erzählt Ruby, habe die grosse Maschinenhalle der Öffentlichkeit eigentlich zugänglich machen wollen. Nicht nur vornedran vorbeigehen und hinein gucken, sondern durch die Halle durchspazieren, das sei sein Konzept gewesen. Die Turbinen anschauen. Dem dumpfen Summen ihrer Kraft zuhören auch mit dem Blick durch die hohe Fensterfassade auf den Rhein. Verstehen, was passiere in diesen Hallen. „Ging nicht,“ sagt Ruby, „der Hausherr wollte nicht.“ Darum entgeht den meisten, die spazierend oder radelnd eben aussen vor bleiben, auch, dass in der Halle die genau gleiche, übergrosse Uhr installiert ist wie jene an Hofmanns Messebau, die für Baslerinnen und Baslern zu einem ganz wichtigen Fixpunkt von städtischer Wahrnehmung geworden ist.

Phantasie und Höhe
Via Grenzacherstrasse geht’s dann weiter dem Rhein entlang zur Solitude und an den Schaffhauser Rheinweg. Es ist wie eine Einfahrt ins Postkartenmässige der Basler Szenerie am Rhein. Die natürlich auch zu Rubys Bild der Stadt gehört. Nur vielleicht etwas reibungsärmer als die Bilder vom Bermenweg. Das Münster grüsst aus der Halbferne und dann führt die Spazierfahrt durch den Burgweg hoch zum Warteck-Areal. „Das stillgelegte Brauereigelände wurde auf geniale Weise einer neuen Nutzung zugeführt, zu der auch neuer, öffentlicher Raum gehört,“ meint Ruby und stellt das Rad an der Ecke des Areals ab, die zugleich den Fuss des Kamins bildet, ein stiller, aufrechter Zeuge der Vergangenheit in dieser prägnanten Backsteinarchitektur. „Das Entwickeln einer total neuen Konzeption für das Areal ging auch nur über viele Kompromisse“, sagt Ruby, schon die kühne, grüne Aussentreppe hochsteigend, welche die verschiedenen Ebenen und Terrassen der restaurierten Anlage miteinander verbindet. „Die Erschliessung ist entscheidend für öffentliche Räume, das sieht man hier besonders gut, weil sie mit dieser tollen Treppe erst geschaffen werden.“
Auf die dritte Terrasse tritt Ruby hinaus. Die gefällt ihm besonders gut. Weil sie keine eigentliche Widmung hat. „Die darf einfach da sein. Zum Verweilen für jedermann. In der Höhe, mit Aussicht, weg von der Strasse und sie bietet da eine gewisse Ruhe und Intimität.“ Er schaut auf die Stadt. Den Ort. Und sagt: „Ja, der wird genutzt. Viel von Jungen, aber nicht ausschliesslich…“ Das weiss er so gut, weil auf der anderen Seite der Treppe, hinter dem zweiten Fenster auf die Terrasse nebenan seine erste Basler Wohnung war. Oder besser sein erstes Zimmer. ‚Lodge‘ heisst das Wohnmodell, das im Ensemble von alternativen und künstlerischen Formen von Wohnen, Schaffen und eben auch Freizeit im Warteck entstanden ist. Eigentlich ist Lodge für kurzzeitige Aufenthalte von Künstlern im Werkraum vorgesehen. Ruby gefiel es so gut, dass er volle zwei Jahre blieb und das neue Warteck seinen Sinn für das Potenzial der Nähe von privatem und öffentlichem Raum schärfte und auf lebendige, neue Höhen führte. Einmal, während der Art, als das Warteck von der Sonderausstellung „Liste“ bespielt wurde, „kamen ein paar Kunstfreunde über die Terrasse ins offene Zimmer und die hielten mich für eine Kunst-Performance.“ Öffentlicher Raum. Volle Nähe. Toll, trotz Missverständnis.

Radikaler Wandel
Wettstein-Platz, dann Wettstein-Brücke, vorbei am Kunstmuseum und dann noch zu einer Tasse Kaffee in die Café-Bar Elisabethen. Auch die offene Kirche ist für Ruby eine sehr gelungene Umnutzung und Öffnung. Er ist oft da. Manchmal für eines der regelmässigen Mittagskonzerte. Manchmal für eine Mittags-Suppe. Oder für Gespräche. Wie jetzt. Manchmal zum Nachdenken allein. Tout simple. Ein guter Ort also für die Frage, wie der Übersetzer vom Museum nebenan die Bedeutung des aktuellen städtebaulichen Wandels der Stadt ganz allgemein einschätzt. Der hohe, neogotische Kirchenraum macht sich gut als Kulisse für die Antwort: „Die ist gewaltig. Vergleichbar mit dem, was auf die Schleifung der Stadtmauern im 19. Jahrhundert folgte. Als dann an ihrer Stelle die Ringstrassen und dahinter die neuen Aussenquartiere entstanden. Hier und anderswo. Heute werden die Industrieareale mit der gleichen Radikalität geschleift und neue Stadtlandschaften entstehen. Auf dem Klybeck zum Beispiel haben wir die Chance, da wo nicht nur produziert, sondern auch viel fürchterliche Umweltzerstörung angerichtet wurde, einen Vorzeigeort von nachhaltiger Urbanität zu bauen.“ Nichts weniger. Der Kaffee kommt. Und am Ende dieses Morgens ist in seinem Duft irgendwo auch der Duft von der Rösterei am Bermenweg mit drin.
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Interview

«Klar machen, dass die Stadt das soziale Medium ist, nicht Facebook»



Basel führt im Herbst Dialogtage über den Städtebau durch. Warum braucht es die?
AR: Die braucht es, weil die Bevölkerung viel stärker in die Agenda-Bildung der Politik in den für das Leben in der Stadt zentralen Fragen des Städtebaus integriert werden sollte.

Was unterscheidet diese Dialogtage von anderen Beteiligungsverfahren, die es im Städtebau gibt?
AR: Dass sie thematisch aufgestellt und nicht nur projektbasiert sind. Deshalb haben sie einen viel grundsätzlicheren Charakter und sind offener.

Ihr Anliegen ist der öffentliche Raum? Wie wird dieses Thema bei diesen Dialog-Tagen thematisiert? 
AR: Es muss in den grossen Querschnitt-Themen, die auf dem Programm stehen, thematisiert werden. Weil ohne öffentlichen Raum ist Stadt nicht zu denken. Öffentlicher Raum ist heute eine bedrohte Spezies obwohl es das eigentliche Lebenselixier der zeitgenössischen Stadt ist. Wir müssen klar machen, dass die Stadt und der öffentliche Raum die eigentlichen sozialen Medien sind und nicht Facebook.

Die übergeordneten Themen bei dieser Veranstaltung, die Sie ansprechen, sind das Weiterbauen, der
grenzüberschreitende Metropolitanraum und die Umwelt. Sind das für Sie die effektiv entscheidenden Themen für die Stadtentwicklung der Zukunft?

AR: Also die Umwelt ganz sicher. Da muss wahnsinnig viel getan werden. Dann der Metropolitanraum, der ist für Basel nicht nur ein wichtiges Thema, sondern ein noch sehr entwicklungsbedürftiges Thema. Und das Weiterbauen ist in einer Stadt, in der so viel, so schnell abgerissen wird, ist natürlich auch ein sehr relevantes Thema. - Also ich finde die Themen sind gut.

Die Dialogtage werden mit verschiedenen Partnern vorbereitet. Hat die allgemeine Öffentlichkeit auch eine Rolle?  
AR: Absolut. Also die Öffentlichkeit muss verstehen, dass sie ein Stakeholder und der primäre Dialogpartner überhaupt ist. Weil die Öffentlichkeit aber so groß und formlos ist, ist es schwierig, sich als Individuum auch als Teil der Öffentlichkeit zu begreifen. Aber an so einem Ereignis glaube ich, sollte es möglich sein, dass Einzelne sich dort als Teil einer informellen Pressure-Group verstehen. Wenn sie merken, dass auch andere Leute da sind, die keine institutionellen Vertreter sind, und diese Leute beim Kaffeegespräch merken, uns fehlt eigentlich ein Thema, dann hoffe ich, dass sie das bei einer nächsten Session einbringen.

Welche Rolle haben Sie als Direktor des Architekturmuseums in der Entwicklung dieser Tage und dann bei den Tagen selbst?  
AR: Bei der Entwicklung assistieren wir und sind Dialogpartner der Städtebau- und Architekturabteilung im Bau- und Verkehrsdepartement. Ein Vertreter unseres Teams ist im Beirat der Dialoge mit drin. Wir arbeiten also an der Programmstruktur und an den Inhalten zusammen mit anderen mit. Und bei den Tagen selbst bin ich verantwortlich für die Integration des Jungen Rats in die Programmstruktur und in die Diskussion. Das ist mir sehr wichtig. Der Junge Rat ist für mich beispielhaft dafür, dass nicht einfach nur mit den üblichen Verdächtigen gesprochen wird, sondern das Agenda-Setting mit neuen Stimmen wirklich diversifiziert wird.

Wie stellen Sie sich die Dialoge im Herbst konkret vor? Und was muss bei diesen passieren? Passieren, damit eine Wirkung, längerfristige Wirkung von diesen Dialogen ausgeht?
AR: Sie müssten so funktionieren wie Napoleons Schlachten. Er hatte ja für alle seine Schlachten einen sehr genauen Plan, doch keine Schlacht ist nach diesem Plan gegangen. Und analog wäre es wichtig, dass wir Zwischenrufe haben und Zwischenrufer, die, wenn sie das Gefühl haben, ihre Themen werden nicht adressiert, dem lautstark Ausdruck verleihen und sagen: Hier fehlt etwas. Oder hier ist etwas überholt. Die Realisierung von Geplantem geht ja ungeheuer lange und wenn man nicht früh, sensibel und aufmerksam ist, riskiert man gewaltige Fehlentwicklungen. Das sieht man etwa in der Freien Strasse jetzt. Da wird nach langer Planung in einem Moment, in dem die Entsiegelung der Böden als ein super wichtiges Thema des Städtebaus allgemein anerkannt ist, aufgrund einer längst überholten Planung ein total versiegelter Belag verlegt...

Gibt es so etwas wie eine persönliche Erwartung an diese Tage? 
AR: Ja, es gibt die Hoffnung, dass dieses Forum wirklich neue Player, bisher noch nicht beteiligte Player der Öffentlichkeit integriert. 

Was erwarten oder erhoffen Sie von der Verwaltung? 

AR: Dass die Verwaltung begreift, dass sie nicht nur ein ausführendes Organ ist, sondern selbst wirklich gestaltendes, aktives Organ sein kann und sein muss und dass ihr Tun politisch ist.

Die Regierung wünscht diese Tage ausdrücklich. Was denken Sie, dass die Regierung mit
den Ergebnissen der Dialogtage machen kann und machen müsste? 

AR: Ich glaube, das ist eine sehr gute und wichtige Gelegenheit für die Regierung, hier das Ohr nah am Volk zu haben und die eigenen politischen Prämissen zu überprüfen und zu fragen: Haben wir da an alles gedacht? Fehlen uns bestimmte Inhalte? Wer könnte hier ein guter Komplize sein, bei der bei der politischen Gestaltung unserer Zukunft? Ein bisschen so wie an der Landsgemeinde, wenn die Bevölkerung tatsächlich und ernsthaft von der Regierung um Stellungnahme gebeten wird.

In der Einladung zu den Dialogtagen ist viel von ‘Baukultur’ die Rede. In einem Satz: Was heisst das für Sie? 
AR: Baukultur ist das Verständnis, dass Qualität im Bauen direkt in Verbindung steht mit der Produktion von Lebensqualität. Wenn dieser Konnex gemacht wird, dann haben wir eine Baukultur. Wenn man also sagt, ein Platz sei hässlich, aber das kratzt mich halt nicht so, ich habe ja eine schöne Wohnung, dann ist das keine Baukultur. Aber ab dem Moment, wo es eine Verantwortung dafür gibt, Qualität im Bauen zu schaffen, um Qualität im gesellschaftlichen Miteinander zu ermöglichen, da haben wir Baukultur.

Ein zweiter Begriff kommt in der Einleitung vor: Die Wunschstadt. Wie sieht Ihre Wunschstadt aus?
AR: Meine Wunschstadt von Basel ist, dass sie 2050 immer noch gut belebbar ist. Vor allem klimatisch natürlich. Dafür müsste sich ihr Grünanteil extrem intensivieren. Dann, dass sie möglichst viele, nutzbare öffentliche Räume hat, in denen Wohnen ein Allgemeingut ist. Dass wir verstanden haben werden, dass wir ohne individuelle Autos schneller und besser von A nach B kommen und viel von dem Raum, auf dem wir heute Blech lagern, selbst nutzen können. Und schliesslich, dass wir gegenüber heute deutlich mehr Lebendigkeit durch soziale und programmatische Mischung in der Stadt haben.