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Die Architekturhistorikerin Britta Hentschel hat für die Denkmalpflege am städtebaulichen Leitbild für das Klybeck mitgearbeitet. Was die Knackpunkte dabei sind, hat sie dem Journalisten Lukas Schmutz am Ort gezeigt. (Juni 2023)

Ansicht

Neu erforschen, was damals erfunden wurde


K-125 heisst der Bau. Kühl und leer er steht da, am Rhein. Die Architekturhistorikerin Britta Hentschel kennt die kühle Leere des ehemaligen Ciba-Hochhauses für biologische Forschung und sagt: “Das K-125 steht beispielhaft für die Herausforderungen der Denkmalpflege hier.“ Aus der Kunstgeschichte hat es die Münchnerin in die Architektur gezogen, Spezialgebiet ist die Denkmalpflege geworden, und wir sind im Klybeck, wo der Bau steht. Vor einigen Jahren schon, sagt Hentschel, sei das K-125 - gemeinsam mit acht weiteren Klybeckbauten - ins Basler Inventar der schützenswerten Bauten aufgenommen worden. Das sei ganz wichtig gewesen, doch eigentlich nicht mehr als ein Anfang für die Denkmalpflege in Fällen wie diesem hier. Voraussetzung für eine denkmalgerechte Begleitung  ist selbstverständlich die exakte Kenntnis der Geschichte von Bau und Areal. Hentschel erzählt gerafft das Wichtigste: „Seit 1945 hatte die Ciba hier eng mit dem Basler Architekturbüro Suter&Suter zusammengearbeitet. Ein Masterplan markierte den Beginn, erste Gebäude folgten, dann weitere und sukzessive wurden Suter & Suter zu den Hausarchitekten. Die Ciba wuchs, parallel dazu entwickelten sich Suter & Suter zu einer grossen, international tätigen Basler Architekturfirma.“ Basler Architekten global also, zum allerersten Mal.

Wir nähern uns dem Gebäude durch die Grünanlage, die das Verwaltungsgebäude an der Klybeckstrasse mit der Rheinfront des Areals verbindet, wo das K-125 steht. Das Grün im Industrieareal ist erstaunlich weitläufig. Zum Glück, denn zur Suter & Suter-Geschichte gehört noch allerlei mehr. Schnell habe sich gezeigt, dass die Architekten genau konnten, was Ciba wollte, sagt Hentschel: „Sie waren nicht die Mega-Erfinder, aber sie hatten ein grossartiges Gespür für den Zeitgeist und haben jede internationale Innovation sofort für Basel und die Ciba adaptiert.“ Und weil sie das so überzeugend machten, kam dies dabei heraus: „International Style in clever angepassten Klybeckformaten; Bauten, die zu den Visitenkarten des Unternehmens mit seinem ganzen internationalen Anspruch wurden.“ Und die Suter & Suter-Bauten seien auch geeignet gewesen, dem zweiten Industrie-Platzhirschen am Ort architektonisch Paroli zu bieten. Denn Hoffmann-La Roche setzte mit Otto Rudolf Salvisberg und später Roland Rohn ihrerseits auf ambitionierte Architektur als Corporate Identity. 1960 etwa hatte Rohn mit dem Bau 52 für Roche einen viel beachteten städtebaulichen Hochhausakzent gesetzt. Nun setzten Suter & Suter ab 1963 hier den ihren: das K-125. „Der war ganz klar eine Reaktion auf Rohn. Man baute auch gegeneinander“, sagt Hentschel.

Scharnier von Industrie und gewachsener Stadt

So, nun liegen Grün und Geschichte hinter uns, das K-125 vor uns. „Der Bau ist ja“, sagt Hentschel, „aus dem Stadtbild gar nicht mehr wegzudenken. Als Landmarke am Rhein bei der Dreirosenbrücke.“ In seiner klaren Form, seiner Breite, seiner Gliederung und auch seiner blaugrauen Farbe. Und da, wo er stehe, bilde er „das Scharnier des Industrieareals zu der gewachsenen Stadt“. Kleiner Exkurs dazu: Der Asklepios-Bau von Herzog und de Meuron auf dem Novartis-Campus auf der andern Rheinseite stelle einen ganz klaren Bezug zum K-125 her. Das vergrössere dessen städtebauliche Bedeutung noch. „Das geht so weit, dass der Novartis-Bau seine städtebauliche Klarheit verlieren würde, wenn man hier das K-125 abreissen würde.“ ‘Städte lesen’. Das mag Hentschel. Überall. Die Piazza della Repubblica in Rom war ihr Dissertations-Thema... Städtebauliche Bedeutung also. Doch die Analyse geht weiter, tiefer: „Die Denkmalpflege muss auch beurteilen, was qualitativ, bauhistorisch, konstruktionshistorisch und vielleicht auch sozialgeschichtlich in die Zukunft reisen soll.” Das ist so ein Hentschel-Satz, der hängen bleibt: Denkmalpflege also als Veranstalterin von Zukunftsreisen. Hentschel lehrt an der Universität Liechtenstein. Jungen Architektinnen und Architekten den Sinn für derartige Zukunftsreisen vermitteln. Doch Hentschel ist auch Praktikerin. Während über zwei Jahren hat sie bei der der Basler Denkmalpflege „angeheuert”, wie sie sagt. Und für diese am städtebaulichen Leitbild für das Klybeck mitgearbeitet. Darum kennt sie das alles hier so von A - Z.

Fassaden-Forschung

Hentschel guckt nun an der Fassade hoch und wieder runter. „Das ist total spannend. Dieses Hochhaus hier war eines der ersten oder vielleicht überhaupt der erste Hochhausbau in der Schweiz mit so einer vorgehängten Fassade.” Also eine schlichte Hülle ohne jede Tragfunktion. Ja, ja, fügt sie bei, das sei fast schon eine Revolution gewesen, die nach Basel an den Rhein gekommen sei. “Und 17-stöckig! Das war wirklich ein städtebauliches Ausrufezeichen, auch die Fassade sollte zeigen, dass Ciba am Puls der Zeit ist.“ Denkmalpflegerisch heisse das nun, dass mit dem Gebäude auch eine wichtige, erstmalige Konstruktionsmethode erhalten werde und dies werfe weitere, sehr konkrete Fragen zur Fassade auf. Zum Beispiel: „Wie altern derartige Innovationsbauten, wo eben damals die neueste Technik verwendet worden ist? Denn wir haben kaum Erfahrung, wie diese Technik altert. Die ganzen Bauten der Boomjahre kommen jetzt erstmals ins Sanierungsalter. Das heisst,  es braucht baukonstruktive Forschung , um die Erhaltungsfrage zu beantworten.” Nichts weniger. Gerade das präge heute die Aufgabe der Denkmalpflege: Bauforschung hinsichtlich der Nachkriegsarchitektur, auch auf Industriearealen.

Beim K-125 ging das so: Spezialisten haben die Fassade analysiert. Dies ergab, dass hier erstmalig wohl Floatglas, also eine ganz neue Glasart, grossflächig eingesetzt wurde. Und der Zustand von Glas und Fassungen sei sehr gut. Mit Putzen und Fugen ausbessern wäre die Fassade wieder so gut wie neu und brauchbar. „Wäre”, wiederholt Hentschel, “wenn Nutzung und Umfeld noch wie damals wären. Das Gebäude wurde ja für die ganz präzise Nutzung von Labors gebaut. Relative Luftdurchlässigkeit war da für die Fassade nicht nur normal, sondern gut: Man wollte kein Kondenswasser. Dass der Bau dadurch viel Energie verbrauchte und verschwendete, war in den 1960ern kein Problem. Was Energie kostet oder sogar bewirkt war damals so gut wie egal. Kein Thema.” All das Neue, und damit auch besonders Schützenswerte war also auch aus dem Geist der Zeit konstruiert und abgestimmt auf die damalige Funktion.“ Sichtbarer Ausdruck davon ist auch, dass die Fenster nicht vollumfänglich geöffnet werden können, wie Hentschel nun zeigt. “Einige der Luken in den oberen Fensterbereichen stehen offen, das sieht man gut von hier: Nur über die war händische Frischluftzufuhr für die Innenräume möglich.”

Heikle Nutzungsfragen

Damit steht die zweite Schlüsselfrage, der sich die Denkmalpflege jenseits der Bauforschung zwangsläufig stellen müsse, im grossen Raum vor dem K-125: Welche zukünftige Nutzung ist mit der famosen Fassade sinnvollerweise möglich? “Bewahren heisst, Nutzungen finden, die irgendwie zum Bau passen,” sagt Hentschel. “Und da ist natürlich nicht jede Investorenidee mit den historischen Bauten kompatibel.“ Noch ist der Prozess hier noch im vollen Gange und nicht abgeschlossen. Doch so viel kann Hentschel sagen: „Dass neuerlich Labors entstehen, das halte ich für unwahrscheinlich. Und ständiges Wohnen mit den zeitgenössischen Ansprüchen auch an Klima und Behaglichkeit ist mit der Erhaltung der Fassade in diesem Originalzustand schwer vorstellbar. Schon eher, dass man das Gebäude als Büros nutzen könnte oder etwa auch als Hotel...“

Der Gesamtbau habe natürlich unglaubliche Qualitäten für neue, weitere Nutzungen: Hentschel nennt die Terrasse im Erdgeschoss auf den Rhein, wenn dann das Ufer neu gestaltet sei. Und dann könne natürlich oben auf dem Dach eine schicke Bar eingerichtet werden, das wäre aus Denkmalpflege-Sicht vollkommen unproblematisch. “Damit erhielte die Scharnierfunktion des Baus in der Stadt als öffentlicher Raum eine noch ganz andere Qualität.” Dennoch lautet die denkmalpflegerische Bilanz - Stand heute - so: “Für den Moment hat die Denkmalpflege auf jeden Fall festgesetzt, dass der Bau in seiner Kubatur so bleiben muss, dass die Fassaden zu schützen sind.“ Damit das K-125 K-125 bleibt. Wenn der Prozess gelinge, sagt sie, nochmals fliegt ihr Blick an der Fassade hoch, “dann steht er hier als Zeugnis dafür, was nach 1960 die Innovationen waren, was möglich war, an diesem Schlüsselort in der Chemiestadt Basel damals ... und wenn nicht, dann haben wir diese grosse Chance versemmelt.” ‘Ver-semmelt’, der authentisch-dialektale Begriff und die Betonung des Worts am Schluss dieses Satzes unterstreichen, dass sie das unverzeihlich fände ...

Unterwegs auf dem Rückweg Richtung Porte, nun nicht mehr im Grün, sondern da, wo das Industriegebiet wirklich Industrie war, erzählt sie, dass die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Playern auf dem Areal aus ihrer Sicht wirklich gut lief und laufe. “Die Art, wie wir hier in die Entwicklungsprozesse früh einbezogen sind, scheint mir vorbildlich.” Frühes Reden und Austauschen - nicht nur mit der Denkmalpflege, sondern breitband, alle Ämter, Investoren, Arealentwickler und auch die Bevölkerung - sei für das Finden von sinnvollen Lösungen das A und das O. “Das frühe Erkennen von Reibungsflächen, gegenseitige Sensibilisierung für Themen, nein das läuft hier mustergültig.”

Offgrid-Flächen werden zugänglich

An der Grenze der Arealteile hatte sie gesagt: “Bis da war Management und Forschung, alles elegant und gestylt, doch hier beginnt der Schmutz.” Wir sind darin beim K26 angelangt, ein seit letztem Jahr bereits geschützter Bau auf dem Areal. Ein ehemaliges Lager mit Eisenbahngeleisen und Prellböcken vornedran. Es stammt schon aus der Zeit vor Suter & Suter. “Auch ein toller Bau”, sagt Hentschel. “Er nimmt die Bauhaus-Tradition auf. Pilzdeckenkonstruktion werden mit grossflächigen horizontalen Fensterbändern gepaart. Da gibt’s auch super Innenräume mit über wunderbare Freitreppen erschlossenen Doppelgeschossen. Doch konstruktionstechnisch nichts, mit dem die Denkmalpflege nicht bestens umgehen könnte.” Alles sei ebenfalls in gutem Zustand, darum sei die Umnutzung hier - nach einem Architekturwettbewerb - voll im Gang. “Toll, wenn die Möglichkeiten von Umnutzungen schnell sichtbar werden. Und es ist ein grosser Moment für Basel, dass diese Offgrid-Flächen auf einmal öffentlich zugänglich werden.“

Unter dem mächtigen K90, nur wenige Schritte weiter und nun schon nah beim Klybeckplatz, hält Hentschel nochmals an. Auch der Backsteinriese gehört zu den Klybeck-Bauten, die ins Schutz-Inventar aufgenommen wurden. Noch ein Beispiel der erfolgreichen wirtschaftlich-architektonischen Superlativ-Suche von Ciba mit den Suters. 1957 wurde hier das modernste Textilfarbwerk der Welt eröffnet und produzierte während einem halben Jahrhundert Farbstoffe. Unmengen für die ganze Welt. Geblieben ist ein doppeltes Skelett. Das nachträglich angebaute Exoskelett, das die Erdbebensicherheit des Baus auch im fortgeschrittenen Alter garantierte, und die Mauern, Stützen und Böden, welche die Produktionsanlage mit den gewaltigen Kesseln trugen. „Innen ist der total leergeräumt und offeriert in seiner Leere mit den grossen Bodenlöchern der Kessel aufregende Durchblicke,“ sagt Hentschel, „und es ist noch völlig offen, was in diesen Bau reinkommen könnte.“ Den bauhistorisch wertvollen Kubus habe man fürs Inventar ausgewählt “weil er am zukünftigen Klybeckplatz städtebaulich am prominentesten zeigt, was die Industrie hier war.”

Was die Klimabewegung fordert, ist unser Kerngeschäft

Hier wechselt Hentschel nun vom Beobachtungs- in den Ausblickmodus. Die Klimakrise, sagt sie, habe der Denkmalpflege Rückenwind gegeben: “Denkmalpflege und Klimabewegung reichen sich oft die Hände. Auf ganz selbstverständliche Art. Denn, was tut Denkmalpflege?: Gebäude erhalten. Und, was fordert die Klimabewegung?: Mit dem Bestand bauen. Das heisst, was die Klimabewegung fordert, das ist unser Kerngeschäft. Genau dafür haben wir einen riesigen Erfahrungsschatz und das nötige, angepasste Handwerkszeug.“ Und so könne die Denkmalpflege helfen, einen laufenden Veränderungsprozess in der Gesellschaft zu stärken. Politische Forderungen nach konsequenterem Erhalten von Bestand finde sie richtig. „Heute würden ganz sicher wesentlich mehr Bauten ins Inventar aufgenommen und im Städtebaulichen Leitbild sind ja auch Bauten zur Erhaltung vorgesehen als nur die im Inventar.” Es ist also etwas in Bewegung gekommen, meint sie. Doch die Tendenz, schnell abzureissen, sei dennoch nicht gebrochen. Auch hier auf dem Klybeck. „Genau an der Kante zu einem Ensemble von Fabrikationsbauten an der Mauerstrasse, das im Inventar ist, wurde nun ein Gebäude abgerissen. Mein Eindruck ist, die wollen vorwärts machen. Und was weg ist, ist weg, oder?“

So, die Badges sind zurückgegeben, die Porte liegt hinter uns. Da fällt der Denkmalschützerin à propos ‘was weg ist, ist weg’ noch was ein. „Genau hier stand ja bis 2004 der 120 m hohe Hochkamin. Der ist jetzt auch weg. Die Denkmalpflege wollte ihn damals erhalten. Aufgrund seiner bauhistorischen und Ortsbedeutung  als Leutturm im Industriedorf. Die Regierung entschied auf Antrag der damaligen Besitzerin Novartis dagegen. Ich glaube, der wäre ein irrsinnig starkes Zeichen für die Geschichte des Orts gewesen.“ Ob das heute anders rauskäme? Hübsche Vorstellung jedenfalls, dass der alte Kamin im geplanten Hochhausquartier am Platz, sein feines, weisses Rohr noch immer hochstreckte... „Denkmalpflege und Denkmalschutz“, hatte Hentschel unterwegs irgendwo gesagt, „reagiert immer auf Verluste und das ist immer so einen Tick zu spät. Insbesondere seit der Industrialisierung erleben die Menschen immer wieder, wie die Stadt, die sie kennen, verschwindet, vor ihren Augen zerbröselt. Aus diesen Verlusterfahrungen hat sich dann die Disziplin der Denkmalpflege entwickelt.“ Diese bemüht sich, unterstützt durch eine intensive Bauforschung, dass das Wichtigste und daneben möglichst noch ein bisschen mehr auf die Reise in die Zukunft mitgenommen wird.

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Interview

„Es geht darum, mal die Wertigkeit von Denkmalpflege abzugreifen…“


Basel veranstaltet Dialogtage über Stadtentwicklung. Warum braucht es die?

BH: Also ich denke, weil Stadtentwicklung alle angeht. Stadtplanung ist zwar eine hoheitliche Aufgabe, weil es dafür einfach unglaubliche Mittel und Expertise braucht. Aber wir sind alle Bewohner von Stadt und wir alle haben Anliegen an die Stadt. Und deswegen sind die Dialogtage, glaube ich, total wichtig: Es geht um eine Teilhabe aller an der Planung.

Es gibt ja bereits Partizipationsverfahren. Was ist in diesem Fall anders und warum braucht das zusätzlich?
BH: Also Partizipation ist normalerweise sehr projektbezogen. Auch im Klybeck ist das so. Aber dass in so großem Maßstab eine Beteiligung stattfindet, ist ungewöhnlich: Was für eine Stadt wünscht ihr  euch denn? Das finde ich eine irre tolle Plattform, die sagt, alle sind beteiligt.

Sie sind als Expertin für Denkmalpflege dabei. Welche anderen Themen finden Sie besonders spannend?
BH: Also was ich total spannend finde, ist die Frage der Eigentümerschaft als Teil der Baukultur. Das kommt bislang im Diskurs viel zu kurz. Man hat immer das Gefühl, Baukultur betreffe die Behörden oder den Einzelnen in seinem Gefühl. Aber dass die Eigentümer eigentlich die Hauptakteure sind und schon immer waren durch alle Jahrhunderte, als Auftraggeber und damit als die potenziell großen Träger der Baukultur, das geht oft total vergessen und auch, dass es dafür baukulturelle Kompetenz, Wissen und Verantwortungsgefühl auf dieser Seite braucht. Und mir gefällt auch, dass Basel als Metropolitan-Region wahrgenommen wird. Also dass man nicht kleinklein denkt, sondern sich vernetzt über die Grenzen hinweg.

Wie haben Sie die Entwicklung dieses Projektes bisher miterlebt und welche Rolle spielen Sie selbst?
BH: Als Expertin im Dialog „Mit Denkmalpflege Zukunft bauen?“. Und es geht vor allem um dieses Fragezeichen. Das heisst darum, überhaupt mal die Wertigkeit von Denkmalpflege abzugreifen. Und dann vielleicht auch darum, Dinge zu erklären, die nicht klar sein mögen, und schliesslich eben auch neue Impulse einzufangen.

Was muss an diesen Tagen passieren, dass wirklich etwas Neues bringen?
BH: Ein gutes Mass von “Out-of-the-box-Denken”. Dass man nicht nur immer in diesen Fachdiskursen verhaftet bleibt, die zwar total reich sind, aber dazu tendieren, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Das soll hier umgangen werden. Das erhoffe ich mir jedenfalls.

Ist das ein Anlass für die Öffentlichkeit?
BH: Total – im doppelten Sinne: Die Öffentlichkeit hören und sie auch sensibilisieren.

Was denken Sie und was wünschen Sie, dass die Verwaltung und die Regierung mit den Ergebnissen anfangen?
BH: Also ich glaube, es ist ein Reflexionstool, sowohl für die Verwaltung als auch für die Politik. Es ist ganz wichtig, dass sie das, was sie selbst denkt und was im Schwange ist, breit gesellschaftlich reflektiert sieht und dann eben auch reagieren kann. Es ist ja schwierig, auf etwas zu reagieren, wenn man gar nicht weiß, auf was man reagieren sollte. Und im nächsten Schritt ist es auch ein Umsetzen. Das heißt natürlich nicht, dass alles eine totale Berechtigung hätte. Aber es geht darum, dass man den Kreis weitet.

Im Programm liegt viel Wert auf dem Begriff “Baukultur”. Was heißt das für Sie?
BH: Also ich würde sagen, Baukultur ist der Anspruch daran, dass das Bauen eine öffentliche, gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht eine Spartenwissenschaft ist.

Das Programm operiert auch mit dem Begriff Wunsch-Stadt. Was können Sie damit anfangen?
BH: Ich finde diesen Begriff Wunsch-Stadt interessant. Er ist mir vorher auch so noch nicht begegnet. In der Architekturgeschichte gibt’s den so nicht. Das, was es gibt, ist die Utopie. Die Utopie ist immer eine Kritik am Status quo. Utopie meint ja wörtlich Nicht-Ort, also ein Ort, der nicht existiert.  Die Utopie ist immer eine Gesellschaftskritik und manchmal auch eine Architekturkritik und formuliert ein Gegenbespiel. Ich finde, die Wunschstadt bezeichnet dagegen den Ort, den es geben kann, geben soll, also etwas, das realisierbar ist, eine machbare Stadt. Ich glaube, dass das impliziert, dass Wunschstadt, ein optimierter Ort, kein anderer Ort ist, wo man - so gut es eben geht - die Kinderkrankheiten des Jetzt kuriert...